Mit Facebook die Jugend ins Theater locken

Die 28-jährige Anja Ott gehört zu den Jungen in der Weinfelder Kulturszene. Für die Theater- und Konzertgesellschaft Mittelthurgau denkt sie u.a. über Facebook nach.

Bernhard Eymann, 04.01.2012

Im Frohsinn in Weinfelden wartet Anja Ott, einen Ying-Yang-Anhänger um den Hals, die fröhlichen blauen Augen hinter einer dicken Brille. Die 28-Jährige ist seit August Marketingchefin der Theater- und Konzertgesellschaft Mittelthurgau (TKGMTG), die seit bald 40 Jahren in der Stadt Kultuveranstaltungen organisiert. “Marketing ist ein bisschen übertrieben”, meint die sympathische Rothenhauserin. Ihre ehrenamtliche Funktion besteht aus Pressearbeit, Plakataufhängen und darin, der Gemeinde für das Event-Schild am Ortseingang die Veranstaltungen bekanntzugeben. Ist es schwierig, mit dem sperrigen Namen Marketing zu machen? “Nein, er ist inzwischen ein Begriff”, sagt Anja Ott, die Leute hätten sich an ihn gewöhnt und gingen auf die Werbung ein.

Zwei Neue in der Weinfelder Kulturszene

Nicht zufällig hat Anja Ott die Genossenschaftsbeiz Frohsinn für das Gespräch gewählt. Auch hier gibt es ein regelmässiges Kulturprogramm; sie kennt viele Leute persönlich. Katharina Alder, die für das Programm im “Frohsinn” zuständig ist (und für thurgaukultur.ch einen Blog schreibt), ging mit ihr zur Schule. Nun sind sie beide ein aktiver Teil der Weinfelder Kulturszene. Für Anja Ott ist wichtig, dass sich die Jungen in der Kultur einbringen, auch wenn kein Verdienst möglich ist: “Junge Leute machen das Leben!”, sagt sie. Die verschiedenen Veranstalter sieht sie nicht als Konkurrenten, denn jedes Angebot sei wertvoll für Weinfelden.

Dem Nachwuchs Platz gemacht

Anja Ott kennt die TKGMTG schon lange. Vater Fredy Ott war langjähriger Buchhalter, bis er letztes Jahr dem Nachwuchs Platz machte. Mit nur fünf Mitgliedern musste die Aufgabenverteilung im Vorstand gestrafft werden. Anja Ott blickt zufrieden auf eine erste halbe Saison zurück: “Alles läuft gut und das Klima ist sehr unkompliziert.” Nun will sie die Vernetzung mit Facebook et cetera vorantreiben, um die Jugend anzulocken. Sie staune zwar jedes Mal, wie viele Junge ins Theater kämen. “Aber es dürften schon noch ein paar mehr sein!”

Allrounderin, die Kultur lässig findet

Ihre Berufsbezeichnung auf der Homepage lautet “Allrounderin”. Schon oft hat sie ihre Stelle gewechselt. “Ein Job aufs Mal ist mir zu wenig, ich brauche Abwechslung”, erklärt sie. Zweimal hatte sie gekündigt, um die Schweiz hinter sich zu lassen: Ein Jahr lang reiste und arbeitete sie in Asien, ein weiteres in Israel und Palästina. Die Freiheit habe sie gelockt, und der Reiz, Unerwartetes zuzulassen. Doch nicht nur Abwechslung spornt sie an: Sie müsse hinter einer Aufgabe stehen können, sagt Ott, “Sobald Kultur im Spiel ist, wird’s lässig!” Für die Liebe zu Theater und Film ist ihr Vater Fredy mitverantwortlich, der Direktor des Theaters am Stadtgarten in Winterthur war. Mit 16 hatte sie bereits einen Job im Kino. Heute arbeitet die gelernte Kauffrau wieder in einem, dem Weinfelder Liberty. Und nicht ganz zufällig ist sie mit dem Theater-Schauspieler Samuel Mosimann zusammen.

Programm wird aufgefrischt

“Mit dem Wechsel im Vorstand hat ein Generationenwechsel stattgefunden”, sagt Ott. Sie wolle nicht in die Fussstapfen ihres Vaters treten, sondern habe sich aus Interesse für das Engagement entschieden, nachdem die Gesellschaft angefragt hatte. Nun wird das Programm aufgefrischt, wie etwa mit dem Einmannstück “Kols letzter Anruf” mit Gregory B. Waldis vom vergangenen November. “Der hochgestochene Schleck, den Theater manchmal hat, fehlte hier”, meint Anja Ott, und die direkte Sprache habe Leute erreicht, die sonst vielleicht nur ins Kino gingen.

Bald 40-jähriges Bestehen

Bald feiert die TKGMTG das 40-jährige Bestehen. Über konkrete Pläne zum Jubiläum schweigt sich Anja Ott noch aus. Immerhin kann sie für die Saison 2012/2013 eine grosse Ankündigung machen: Der bayerische Kabarettist und Schauspieler Gerhard Polt wird in Weinfelden auftreten. “Ich freue mich riesig darüber”, erzählt sie, die Polt vor kurzem im Zürcher Volkshaus gesehen hat. Sie lacht gerne. Doch abgesehen vom Kabarett möge sie eher Filme und Theaterstücke, die ironisch seien wie das Leben und nicht unbedingt ein Happy End hätten.